Bewegende Christmetten

 

Stumm standen die Gläubigen zum Ende des Freiluftgottesdienstes am Rathausplatz, einige zupften an ihren Masken, andere hielten sich gebeugt, wie unter einer schweren Last. Während die Großköllnbacher Musikkapelle den musikalischen Inbegriff der Christmette spielte und die Melodie von „Stille Nacht“ durch die Dunkelheit hallte, rannen nicht wenigen Gläubigen, die starr ihren Blick auf den Boden hielten, Tränen aus den Augenwinkeln. Mitsingen war strikt verboten und in Pilsting hielten sich die Menschen daran. Gute 20 Minuten vor 21 Uhr war der Gottesdienst vorbei und die Menschen strömten schnell nach Hause.

„Diese Nacht ist uns Christen heilig – Stille Nacht, Heilige Nacht“, sagte Pfarrer Jürgen Josef Eckl zu Anfang seiner Predigt bei den Gottesdiensten. „So bin ich dankbar, dass wir Christen auch in diesen turbulenten Tagen des Jahres 2020 gemeinsam die Heilige Nacht feiern können.“ Er sei überzeugt, dass alle die Botschaft von Weihnachten – eine Botschaft der Hoffnung – mehr denn je am Ende dieses Jahres brauchen.

Mit Abstand zu den Nachbarn Gut besucht war der Freiluftgottesdienst am Rathausplatz, einzig die Familien drängten sich zusammen – mit gehörigem Abstand zu den Nachbarn. Die Bänke standen weit auseinander, der Großteil wollte lieber stehen. Die Menschen verteilten sich weitläufig, bis über die andere Straßenseite. Autos fuhren selten vorbei und wenn, dann langsam – die Fahrer, meist allein im Auto, warfen neugierige Blicke auf den Rathausplatz. Schon vor dem Gottesdienst war es still, „frohe Weihnachten“ war selten zu hören, stattdessen nickten sich die Menschen zu.

Hinter den Masken, mit dicken Schals um den Hals und Mützen auf den Köpfen waren die meisten nur schwer zu erkennen. Vor der Tür des Rathauses war der Altar aufgebaut, flankiert von zwei Christbäumen. Über den Köpfen der Menschen leuchteten tapfer die unverzichtbaren Weihnachtssterne am Rathaus, die jedes Jahr dort angebracht sind: Sie strahlten ein bisschen Stabilität, ein Stück weit Normalität aus. Einen Moment, sinnbildlich für dieses Jahr, gab es anderthalb Stunden später in der Pfarrkirche zu Anfang der Christmette: Pfarrer Jürgen Josef Eckl legte das Jesuskind vorsichtig in die Krippe. Der Blick der fein gearbeiteten Holzaugen schien direkt auf die Maske gerichtet zu sein, die der Geistliche trug. Der Gemischte Chor Pilsting unter der Leitung von Willi Gabler an der Orgel sang in allerkleinster Besetzung auch „Stille Nacht“ zum Ende.

Die Gläubigen saßen weit auseinander, jeder mit Maske, jeder sich seiner Verantwortung bewusst. Dunkelheit ist nicht einfach nur Kulisse „Die Dunkelheit der Weihnacht war noch nie ‘nur Kulisse’“, betonte Eckl. Letztlich sei es nicht die romantische Stimmung bei Kerzenschein, die die Christen veranlasst, die Geburt Jesu’ ausgerechnet in der tiefsten Nacht zu feiern. „Die Nacht ist nicht nur Kulisse, sie ist zu allererst Erfahrung“, betonte er. „Sie ist Erfahrung gerade an diesem Weihnachtsfest 2020. Es ist dunkel geworden um uns. Die Menschheit, sie ist in diesen Tagen gehüllt in die Finsternis von Angst, Krankheit und Tod.“ Die Nächte unseres Lebens könnten viele Namen haben. Schuld, Zweifel, Angst, Neid, Kleinkriege, Trauer oder Verlust. „In die tiefste Nacht hinein hat Gott sein Wort gesprochen“, betonte Eckl. „Sein letztes, sein tiefstes und schönstes Wort; das Wort, das er nie mehr zurück nimmt, weil es Fleisch angenommen hat in Jesus Christus. Er ist einer von uns. Seit jener ersten Nacht gibt es keine Dunkelheit, die nicht umfangen wäre mit dem Licht aus der Höhe.“

 

Text und Bilder: S. Melis

 

 

 

 

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