Herr Dekan Eckl, bis 2034 sollen aus 23 Pfarreiengemeinschaften bzw. 42 Pfarreien elf Einheiten werden. Das ist ein großer Einschnitt. Die Pläne dazu haben Sie in den Pfarreien schon vorgestellt. Wie haben die Priester und Pfarrgemeinderäte darauf reagiert?

Eckl: Natürlich gab es einige Diskussionen und Rückfragen, aber die Modelle waren weder für die Priester noch für dieMehrheit der Pfarrgemeinderäte eine große Überraschung, weil jeder, der im kirchlichen Leben aktiv ist, umdie Situation weiß. Ich hatte eher den Eindruck, dass die Beteiligten auf ein Zukunftskonzept gewartet haben.

Wie ist man bei der Neustrukturierung vorgegangen? Konnten die Pfarrer mitreden?

Eckl: Beim Entwurf haben die Pfarrer nicht mitgewirkt. Das geht auch nicht, wenn für das ganze Bistum so eine Planung aufgestellt wird, dass dann alle Pfarrer vorab eingebunden werden. Erst muss mal eine Diskussionsgrundlage auf dem Tisch liegen. DieZeit, sich einzubringen und den Entwurf zu diskutieren, ist jetzt. Das ist auch notwendig, weil vom Bischöflichen Ordinariat aus – auch wenn die Verantwortlichen selber viel Erfahrung in der Seelsorge haben – nicht alle Besonderheiten vor Ort in den Pfarreien bekannt sind, die man unter Umständen auch berücksichtigen muss.

Welche Faktoren wurden bei der Planung berücksichtigt?

Eckl: Bestehende Pfarreiengemeinschaften werden nicht auseinandergerissen. Außerdem waren politische Grenzen und Kommunen ein Kriterium sowie geografische Gegebenheiten.

Und die Anzahl der Gläubigen war kein Faktor? Wenn ich lese, dass die Gläubigen von Altenbuch bis Großköllnbach zusammengefasst werden, reden wir von fast 10 000. Andere Pfarreien sind nur halb so groß.

Eckl: Pfarreiengemeinschaften unterschiedlicher Größe gibt es auch jetzt schon, darin sehe ich kein Problem. Bei der Neuordnung hat man eben versucht, sich an anderen funktionierenden Größen zu orientieren, indem etwa das Gebiet zweier politischer Gemeinden zusammengefasst wird und nicht stur nach Katholikenzahlen gerechnet wird. Am Ende muss das Ganze auch aufgehen, und es kann keine Pfarrei übrigbleiben. Da geht’s auch um geografische Gegebenheiten.

Warum braucht es die Neuordnung überhaupt?

Eckl: Aktuell haben wir356 Pfarrer im Bistum. Für 2034 wurde prognostiziert – und das lässt sich anhand gegebener Zahlen gut machen –, dass wir dann nur noch etwa 140 bis 145 aktive Priester habenwerden, die als Pfarrer eine Leitungsfunktion übernehmen können. Ausgehend von dieser Zahl hat man geplant. Denn es kann nur so viele Pfarreiengemeinschaften geben wie Pfarrer zur Verfügung stehen.

Wenn jede Pfarrei noch größer wird, wird die Arbeitsbelastung des Pfarrers doch noch größer?

Eckl: Priester haben in der Vergangenheit freiwillig oder unfreiwillig Aufgabenübernommen, die nicht zwingend ihre Aufgaben sind. Ich denke da in erster Linie an die Verwaltung einer Pfarrei wie Bauangelegenheiten, Personalmanagement, operative Aufgaben, aber auch an Bereiche der Seelsorge und der Liturgie. Im administrativen Bereich müssen die Pfarrer, aber auch etwa die Kirchenverwaltungen, deutlich entlastet werden. Mit den Verwaltungskoordinatoren wurde hier bereits ein erster Schritt gemacht.

Aber der Arbeitstag eines Priesters ist doch jetzt schon sehr voll?

Eckl: Wenn ich auf meinen Terminkalender schaue: 13/14-Stunden- Tage sind jetzt schon für Pfarrer keine Ausnahme. Und ja, die Pfarrer, die solche Einheiten leiten werden, müssen sicherlich sehr belastbar sein und eine entsprechende Ausbildung erfahren haben. Aber natürlich muss auch überlegt werden, wie man die Pfarrer entlasten kann. Ein Pfarrer wird – wenn Sie mir die lapidare Formulierung gestatten – nicht mehr auf jeder Hochzeit tanzen können, sondern sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren, andere Aufgaben delegieren müssen. Verwaltungskoordinatoren, später auch Verwaltungsleiter sollen den Pfarrer von administrativen Angelegenheiten entbinden.

Was ist das Kerngeschäft eines Priesters?

Eckl: Es ist so eine Art gewachsene Vorstellung vieler, dass bei jedem Gottesdienst und jeder Maiandacht ein Pfarrer dabei sein müsste. Oder dass die Sorge um Kranke, Trauernde, Familien, Eheleute, Kinder, Jugendliche ausschließlich Sache der Priester sei. Da ist jeder getaufte und gefirmte Christ in der Verantwortung, kraft seiner Teilhabe am gemeinsamen Priestertum der Getauften, wie es das II. Vatikanische Konzil formuliert hat, Lumen Gentium 10. Die Priester werden sich diesen Aufgaben auch künftig sicherlich nicht entziehen. Sie bleiben Seelsorger, sind erste Beter der Pfarreien und Liturgen. Aber Vorrang haben die Aufgaben, die an das Weiheamt gebunden sind: im Besonderen die Feier der Eucharistie.

Es heißt, dass bei Beerdigungen auch kein Priester mehr dabei sein wird, außer es wird ein Requiem gewünscht. Stimmt das?

Eckl: Die Feier des Requiems ist die Regel, von daher wird jedes andere Szenario die Ausnahme sein. Nicht umgekehrt! Es muss also niemand Sorge haben: Wer auf den priesterlichen Dienst bei der Beerdigung Wert legt, wird auch auf das Requiem, also die Feier der Eucharistie Wert legen. Ist das nicht der Fall und sollte es die Situation erfordern, gibt es keinen Grund, warum nicht ein Diakon oder eine pastorale Mitarbeiterin der Liturgie vorstehen sollte. Das ist theologisch einwandfrei; nur die Gewohnheit hat uns etwas anderes gelehrt.

Aber ist der Beistand in der Trauer nicht ureigenste seelsorgerische Aufgabe eines Priesters?

Eckl: Die Trauerbegleitung ist von der Beerdigung zu unterscheiden. Wenn ein Priester zu einem Sterbenden oder Verstorbenen gerufen wird, oder die Familie den Beistand eines Priesters wünscht, wird sich keiner diesem Dienst verweigern. Aber auch dieser Dienst ist, mit Ausnahme der Spendung der Krankensalbung, nicht zwingend an das Priesteramt gebunden.

Sie sagen, wir müssen uns von der Versorgungsmentalität verabschieden, dass immer und überall ein Priester vor Ort ist. Aber liegt darin nicht die Gefahr, dass die Kirche immer weniger sichtbar im Leben der Menschen wird?

Eckl: Wenn es immer weniger Priester gibt, kann nicht in jedem Ort ein Priester wohnen. Das ist Ein mathematisches Problem, das wir nicht werden lösen können. Wenn Ihre Frage auf die Präsenz der Kirche abzielt: Die Priester

verstecken sich ja nicht ab 2034, sondern erfüllen ihren Dienst weiter gewissenhaft. Die Aufgaben

werden auch nichtmehr, aber die Gottesdienstorte, die Menschen, die einem anvertraut sind und das Gebiet im Allgemeinen. Es wird aber nicht so sein, dass man den Pfarrer nur mehr beim Gottesdienst oder im Auto sieht, sondern es wird und muss auch in Zukunft genug Raum für persönliche Begegnungen und Gespräche sein. Aber in Ihrer Frage versteckt sich das eigentliche Problem.

Welches?

Eckl: Wenn wir von Kirche reden, denken wir zuerst an die Priester, die Pfarrer, den Bischof, vielleicht

noch an die Diakone oder den Papst. Wir alle sind Kirche! Nicht der eine mehr und die andere weniger. Priester sind halt zu einem speziellen Dienst berufen, der ihr ganzes Leben einnimmt, mit dem der Hirtendienst verbunden ist. Als getaufte Christen sind wir aber alle Teil dieser Kirche, nicht im Sinne von passiven Mitgliedern oder Serviceempfängern, sondern jeder und jede hat seine Aufgabe in dieser Gemeinschaft. Zusammen sind wir als pilgerndes Volk Gottes unterwegs durch die Zeit; und jeder trägt seinen Teil dazu bei, dass das Reich Gottes von Tag zu Tag sichtbarer und erfahrbarer wird. Diesen Sendungsauftrag und die Heilsdimension von Kirche müssen wir wieder viel stärker betonen. Nochmal: Kirche ist kein Dienstleister. Kirche ist kein Verein. Wir sind das Volk Gottes. Unsere Botschaft sind nicht Zahlen oder Strukturen, sondern Jesus Christus, der uns am Kreuz erlöst und ewiges Leben erworben hat.

Aber durch den Priester bekommt die Kirche vor Ort ein Gesicht.

Eckl: Kirche wird nicht allein durch Amtsträger sichtbar, sondern dadurch, wie wir als Kirche leben: durch die Caritas, durch das ehrenamtliche Engagement in vielen Bereichen des kirchlichen Lebens, aber auch im Alltag wie wir als Christen miteinander umgehen und wie wir unseren Glauben leben und weitergeben in den Familien. Kirche wird sichtbar, wo wir uns als Gläubige zum Gebet und zur Liturgie versammeln, unseren Sonntag im christlichen Sinne begehen.

Sie setzen sehr auf Ehrenamtliche. Auch das Amt des Katechisten soll wieder eingeführt werden. Was macht ein Katechist?

Eckl: Das Amt ist ein sehr altes frühkirchliches, das im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten ist. Katechisten sind Frauen und Männer, die in einem bestimmten pastoralen Aufgabenfeld Mitverantwortung für die Weitergabe des Glaubens tragen: in der Begleitung von Jugendgruppen, von Gebets- oder Bibelkreisen, von Senioren, Kranken, Trauernden. Dafür erhalten sie eine Ausbildung bei der KEB. Sie sollen kein Theologiestudium absolvieren, aber

auskunftsfähig sein, was den Glauben angeht. Zum Ende erfolgt dann eine liturgische Beauftragung durch den Bischof.

Wenn wir weniger Priester haben, werden viele Pfarrhäuser leer stehen. Was passiert mit ihnen?

Eckl: Über die Jahrzehnte haben sich tatsächlich viele Gebäude angehäuft, die in absehbarer Zukunft wegen der Situation – weniger Gläubige, weniger Priester – schlicht weg nicht mehr gebraucht werden und nur Kosten verursachen, wie zum Beispiel die angesprochenen Pfarrhäuser, die nicht mehr bewohnt werden. Angesichts sinkender Kirchensteuermittel müssen die Kirchenstiftungen vor Ort auch mit Blick auf die eigene Finanzsituation überlegen, von welchen nicht mehr benötigten Liegenschaften man sich trennen kann oder muss.

Was ist mit kirchlichen Kindergärten?

Eckl: Kirchliche Kindergärten bleiben kirchlich. Zumindest gibt es da eine klare Präferenz des Bischofs, die Trägerschaft fortzuführen. Unabhängig davon – und so war es auch in der Vergangenheit schon – können natürlich Kirchenstiftungen vor Ort aus unterschiedlichsten Gründen den Wunsch haben, die Trägerschaft eines Kindergartens an die Kommune abzugeben.

Wie geht es mit der Umstrukturierung nun weiter?

Eckl: Jetzt ist die Phase der Kommunikation und der Diskussion. Jede Pfarrei ist gebeten, Rückmeldung zu geben. Im Juni tragen die Dekane die Ergebnisse dem Bischof und dem Generalvikar vor. Es werden dann Korrekturen vorgenommen, soweit sie möglich sind. Dann werden sich auch noch einmal unter anderem der Priesterrat und die Ordinariatskonferenz mit dem überarbeiteten Entwurf beschäftigen, ehe der Bischof das Ganze in Kraft setzt.

Wie stehen Sie persönlich zur Neustrukturierung?

Eckl: Ich glaube, dass man angesichts dieser Weiterentwicklung nicht schwarz sehen sollte, sondern auch die Chancen entdecken sollte. Zum einen schaffen wir damit Strukturen, die unsere Kirche zukunftsfähig machen und dabei die „Kirche im Dorf“ lassen. In anderen Bistümern Deutschlands wird da sehr viel brachialer vorgegangen. Und zum anderen sehe ich tatsächlich die Möglichkeit eines neuen Aufbruchs für Kirche und das Evangelium, wenn das kirchliche Leben vor Ort, gerade in den kleineren Ortschaften, verstärkt in die Hände der Gläubigen gelegt wird. Da gibt es ein großes Potenzial an Talenten und Charismen, an Gestaltungskraft für einen lebendigen Glauben. Von daher sehe ich optimistisch in die Zukunft. Wir müssen halt alle mithelfen.

Das Gespräch führte Claudia Rothhammer.

 

Das gesamte Interview in der LNP.